Künstlerisches Projekt Rosa Andraschek

Kategorisiert in Künstlerische Projekte

Memory Spaces

Das Projekt ist ab 1. April 2023 auf folgender Website abrufbar: https://memoryspaces.at/

Text: Ada Karlbauer und Rosa Andraschek

Konzeption, Website/Installation: Rosa Andraschek, 2023

Ein digitales Gedächtnis mit Lücken. Die Worte und Bilder erklingen auf Weiß. Man hört Spuren und Verweise, Wege und Kurven, die dorthin führen wo man gerade steht. Das was man hört ist nur möglicherweise das was man sieht. Der Zusammenhang formt sich im Hintergrund.

Ein Blick zurück: In der Zeit des Nationalsozialismus gab es in Österreich tausende Orte, an denen sich Arbeitslager und lagerähnliche Unterbringungen befanden. Der Granitsteinbruch in den Kastralgemeinden Roggendorf und Großreipersdorf ist einer davon. Einer von Vielen. Zwangsarbeiter_innen aus Polen, der Ukraine, Kriegsgefangene aus Russland, sowie Ende 1944 auch ungarische Jüd_innen mussten dort Zwangsarbeit leisten. Die jüdischen Familien aus Ungarn und der Wojwodina, die zuvor in den landwirtschaftlichen Gütern des Stiftes Altenburg eingesetzt worden waren, wurden in Steinbaracken direkt am Steinbruchgelände untergebracht. Nachdem die russische Armee 1945 in Roggendorf eingetroffen war, blieben die Zwangsarbeiter_innen sich selbst überlassen. 1950 wurde die 1941 erfolgte Verpachtung des Steinbruchbetriebes, die ohne Zustimmung des sich aufgrund seiner halbjüdischen Herkunft im Exil befindenden Steinbruchbesitzers durchgeführt wurde, für nichtig erklärt. Der Betrieb wurde geschlossen, Bemühungen des rechtmäßigen Besitzers um die Weiterführung blieben erfolglos. Das Areal wurde zum Freizeitgelände mit Badeteich, später Kultur- und Veranstaltungsort.[1] Einige der Gebäude sind inzwischen zu Ruinen geworden, von Pflanzen und Zeit überwachsen, stehen sie noch heute auf dem ehemaligen Lagergelände. Wie so oft, hier und da und irgendwo anders auch.

Ausgehend von der örtlichen Biographie sucht die Arbeit Memory Spaces nach einer Verortung der Vergangenheit innerhalb der Gegenwart. Eine Vergangenheit die wie so oft bewusst verborgen bleibt, durch vage Andeutungen verschleiert, obwohl bereits ein öffentliches Bewusstsein geschaffen wurde.

Memory Spaces kennen den konkreten Ort, vernetzen sich durch Erinnerungen weiter. Geographische Grenzen werden überwunden, zurückgelassen. Dort wo sich selten etwas ändern wird. Ein kollektives Gedächtnis dient als Fundus der Fragmente, die sich zu einer neuen Erzählung formen können.

Auf einer Website werden unterschiedliche Erzählungen mit Aufnahmen der Orte kontrastiert, die in einem Verhältnis zu-, und miteinander stehen. Diese Stimmen formulieren Ansätze, verweisen auf Dokumente, die dem Blick verborgen bleiben. Das Bild zum Wort muss man sich erstmal vorstellen, bewegt oder statisch, manchmal in schwarz-weiß. Erst später werden sich die Worte zu Bildern auflösen. Nutzer_innen werden eingeladen einen digitalen Raum zu betreten, anhand bestimmter Spuren Orte mittels Stimmen zu besuchen. Dieser Raum versucht Andeutungen zu formulieren, Erinnerungen zu definieren, auf das Geschehene und Gesehene. Leerstellen, Bruchstücke und Fragmente von Geschichte dienen als Ausgangspunkt. Dahinter ein Film: Der Blick fällt hier auf das heutige Gelände aus der Drohnen-Perspektive, während eine Archäologin über historische Luftbildaufnahmen spricht, das Bild erweitert. Genau hier haben diese Ereignisse stattgefunden, scheinen die Aufnahmen zu erzählen. Die Orte selbst unterscheiden sich kaum von den vielen anderen und immer gleichen Orten in Österreich, die man aus dem Alltag kennt. Wie so oft, hier und da und irgendwo anders auch. Das was man sieht ist nur möglicherweise das was man denkt. Auf einer weiterführenden Ebene der Seite wird ein historischer Bezug zu den Dokumenten sichtbar, der dem Fragment zugrunde liegen könnte. Den Nutzer_innen bleibt es selbst überlassen Relationen herzustellen. Die digitalen Spuren bleiben hierbei nicht in einem Status der Reflexion stehen, sondern verorten die gewaltsame Geschichte auch jenseits des virtuellen Erinnerungsraumes. Eine erweiternde Installation dient als Möglichkeit, den ortsspezifischen Aspekt der Arbeit in Institutionen oder Museen zugänglich zu machen, ein Bewusstsein vor Ort zu schaffen. Das was man sieht ist nur möglicherweise das was es ist. Der Zusammenhang formt sich im Hintergrund.


[1]Edith Blaschitz, spurenlesbarmachen.at/informationen-zum-granitsteinbruch/